Sunday, May 9, 2010

Einführung

Dr. Renate Wiehager
SUPERFEMMES

Die Münchner Künstlerin Patricia London Ante Paris hat die Einladung zu einer Einzelausstellung in der Rathausgalerie München in ein thematisch profiliertes Gespräch mit vier weiblichen Gästen umgewandelt. Im Medium der Kunst wird hier vor und mit dem Publikum diskutiert über die Chancen einer neu zu qualifizierenden, zeitgenössischen Femininität: aus dem Bewusstsein anthropologischer und kultureller Wurzeln von Weiblichkeit heraus sowie in der Analyse von Zerrbildern des Weiblichen heute kann die Rolle der Frau in Kunst und Gesellschaft neu konturiert werden. Patricia London selbst hat ihr Konzept so zusammengefasst: »Die Ausstellung superfemmes – künstlerisches Konzept und Hypothese über den Ursprung der Faszination an der weiblichen Figur – führt fünf Künstlerinnen zusammen. Sylvie Fleury überspringt im femininen formula 1 dress lässig die Absperrungen der Männerdomäne Rennsport, Ulrike Rosenbach erobert mit Charme und Waffe die männliche Kunstwelt der 1970er Jahre. Josephine Meckseper stellt die Objekthaftigkeit des weiblichen Körpers aus, Simone Westerwinters Regieperformance zeigt, wie ambivalent im Kontext von gender die Interpretation einer Gesichtsmalerei sein kann, denn Frauen mit blauem Auge sehen aus wie Opfer, Männer dagegen wie Helden.«

›Superfemmes‹ – der Titel der von Patricia London Ante Paris kuratierten Ausstellung in der Rathausgalerie München klingt zugleich verlockend und bedrohlich. Man denkt zunächst an die allgegenwärtige Vision vom ›Supermodel‹, dazu passt, dass der Designer Moises de La Renta gerade ein ›Super-Femme T-shirt‹ herausbringt, das man vielleicht demnächst auch an Michelle Obama bewundern darf, die Kosmetikindustrie ist mit Kajal, Lotion oder Lipgloss unter dem Label dabei, eine ›femme‹ oder ›super-femme‹ bezeichnet im urbanen Jargon auch eine dominante, sich eher männlich gebende Lesbierin. Das eher bedrohliche Potential weist in die Richtung ›Domina‹ und ›Powerfrau‹: »Trümmerfrau, ja – Powerfrau, nein danke« titelte 2007 das Handelsblatt und berichtete von deutschen Top-Managern, die ihre Großmütter bewundern, aber Karrierefrauen in Ihrer Nähe misstrauen.


Die fünf Künstlerinnen der Ausstellung spielen in ihren Arbeiten genau mit diesem Potential weiblicher Präsenz im Spannungsfeld von Verlockung und Aggression. Ulrike Rosenbach lächelt unter schöner schwarzer Mähne den Betrachter an, auf welchen sie gleichzeitig ihre Waffe richtet. Sylvie Fleury posiert lässig und attraktiv auf der Rennstrecke in ihrem Formel-I-Kleid, man spürt aber doch die Radikalität ihres Übergriffs auf den maskulinen Kosmos des Rennsports. Patricia Londons Softskulpturen tanzen durch das Rathaus, aber ihre Texte plädieren für umstürzlerische gesellschaftliche und politische Neubewertungen. Simone Westerwinter verführt den Betrachter mit Süßigkeiten und von Künstlerinnenhand aufgelegter Gesichtsmalerei, aber das Ergebnis – ein deftiges blaues Auge – versetzt jedem unvorbereitetem Betrachter einen ernsten Schrecken. Die aus der Mode gekommene Unterwäsche in Josephine Mecksepers fotografierter Schaufensterauslage zieht den voyeuristischen Blick an, entfaltet untergründig aber auch die Vorstellung einer archaischen weiblichen Potenz, der die Männerwelt nicht wirklich etwas entgegen zu setzen hat. Fast alle Künstlerinnen agieren auch selbst als Teil ihrer Arbeiten und identifizieren sich auf diese Weise mit der Vieldeutigkeit ihrer Werke in den Rollen von Täterin, Beobachterin, Opfer, Akteurin.