Saturday, June 19, 2010

Patricia London Ante Paris, Superfemmes

Patricia London Ante Paris, Superfemmes, 2010
Die Münchner Künstlerin Patricia London Ante Paris hat die Einladung zu einer Einzelausstellung in der Rathausgalerie München in ein thematisch profiliertes Gespräch mit vier weiblichen Gästen umgewandelt. Im Medium der Kunst wird hier vor und mit dem Publikum diskutiert über die Chancen einer neu zu qualifizierenden, zeitgenössischen Femininität: aus dem Bewusstsein anthropologischer und kultureller Wurzeln von Weiblichkeit heraus sowie in der Analyse von Zerrbildern des Weiblichen heute kann die Rolle der Frau in Kunst und Gesellschaft neu konturiert werden. Patricia London selbst hat ihr Konzept so zusammengefasst: »Die Ausstellung superfemmes – künstlerisches Konzept und Hypothese über den Ursprung der Faszination an der weiblichen Figur – führt fünf Künstlerinnen zusammen. Sylvie Fleury überspringt im femininen formula 1 dress lässig die Absperrungen der Männerdomäne Rennsport, Ulrike Rosenbach erobert mit Charme und Waffe die männliche Kunstwelt der 1970er Jahre. Josepine Meckseper stellt die Objekthaftigkeit des weiblichen Körpers aus, Simone Westerwinters Regieperformance zeigt, wie ambivalent im Kontext von gender die Interpretation einer Gesichtsmalerei sein kann, denn Frauen mit blauem Auge sehen aus wie Opfer, Männer dagegen wie Helden.«


Patricia Londons Untersuchungen zu den gesellschaftlichen Ausformungen patriarchaler Strukturen – die kritische Reflexion von korporativer Macht und Kapitalismus – hatte von Beginn eine Parallele in ihrer Beschäftigung mit den Erkenntnissen der Matriarchatsforschung. In den letzten Jahren hat sie sich diesen Recherchen noch einmal intensiver gewidmet und daraus verschiedene Werkgruppen und Ausstellungskonzepte konzipiert unter dem Titel ›suprematisme féminine‹. Ausgangspunkt waren die Auseinandersetzung mit dem russischen Suprematismus der 1910er/20er Jahre und die Relektüre von Hélène Cixous Schrift ›Écriture féminine‹. Wenn urzeitliche matrilineare Sozialverbände, in welchen die mütterliche Linie dominierte und Göttinnen angebetet wurden, die älteste Form menschlichen Zusammenlebens sind, könnten dann in der Zukunft, so die Frage der Künstlerin, »matriarchalisch-syndikalistische Wirtschaftsformen erneut das patriarchalisch-kapitalistische Handeln ersetzen?«


Künstlerisch diskutiert wird diese radikale Fragestellung Patricia Londons in vier Werkgruppen, die sie für die Ausstellung ›Superfemmes‹ entwickelt hat. Vier kegelförmige Softsculptures sind mit Zeichnungen von vier exemplarischen Frauenfiguren bedruckt: mit Marge Simpson (aus der comic-serie), die im November 2009 als erste Comicfigur überhaupt Pin-up im Playboy als Centerfold war; mit der Venus von der Alb, die im Juli 2009 in der Schwäbischen Alb gefundene Skulptur einer Urzeitgöttin; mit der berühmten Venus von Willendorf, eine Skulptur einer Urzeitgöttin, 25.000 Jahre, ausgegraben 1905 in der Wachau: und mit Ardi, (nach Ardipithecus) bisher älteste gefundene Hominidin, 4,4 Millionen alt, die ihre Partner nach verminderter Aggression (kurze Eckzähne) und Ästhetik (hohe Wangenknochen) auswählte, damit sie bei der Kinderaufzucht helfen.
Im Film „Superfemmes im Rathaus“, 4’19‹, übernehmen die 4 Softsculptures, die sich in Kostüme verwandeln, das Rathaus von München. Vier Grafiken zeigen die Kegel als Luftballonköpfe, der Text superfemmes ist in elliptischer Bewegung abgebildet. Das Triptychon ›your mother’s vagina‹ definiert das elliptische Ornament als das weibliche Geschlecht und verweist auf den Kontext der verdrängten gesellschaftlich führenden Position der Frau.
Dr. Renate Wiehager